|
Der
schwarze Mond und die wabernde weiße Korona der Sonne
während der Sonnenfinsternis 2015 am 20. März 2015 um 10.44
Uhr MEZ. (280mm, Belichtungszeit 1/250 Sek, f5,6, bei 39
DIN) |
|
Mit 64 Sofi-Fans zu den Färöer-Inseln |
20043 Sekunden Flug für 219
Sekunden Finsternis |
|
Normalerweise reisen Menschen, um etwas zu sehen. Doch die
64 Passagiere an Bord einer Boeing 737-800 der
Fluggesellschaft airberlin bezahlten gutes Geld, damit es
ihnen für einen kurzen Augenblick schwarz vor den Augen
wurde. Der Grund war die Totale Sonnenfinsternis über dem
Nordatlantik. |
|
Der Himmel am Flughafen Düsseldorf ist grau bedeckt, Zäher
Bodennebel hängt über den geparkten Flugzeugen. Kein gutes
Wetter für eine Sonnenfinsternis. Also ab in den Flieger und
auf zu den Färöer-Inseln im Nordatlantik.
Entspanntes Warten am Gate
B27. 64 Passagiere meist aus Amerika freuen sich auf den
Flug. Unter ihnen ist Landon Noll. „Seit 1970 verfolge ich
Sonnenfinsternisse. Das ist heute meine 17.“, berichtet der
55-jährige Amerikaner. Zur Gewöhnung der Augen an das dunkle
Zwielicht der Finsternis trägt er bereits jetzt schon eine
große Brille. Es hat schon etwas Futuristisches. Auf seinem TabletPC stehen alle aktuellen Informationen zur
Finsternis.
|
Landon Noll zog schon nach dem Aufstehen seine
Spezialbrille auf, um die Augen bestens auf die totale
Finsternis vorzubereiten. |
|
|
|
|
Der Tourorganisator airevents,
Spezialist für Sonderflüge, hat drei Flugzeuge, eine Boeing
737 und zwei Airbusse A320 bei der Fluggesellschaft
airberlin für dieses kosmische Ereignis gechartert. Vertrieben
wurden die Flüge von Eclipse-Reisen, Bonn, und von
TravelQuest International, Arizona, USA. So starten am frühen
Freitagmorgen um 7.32 Uhr zwei Sonnenfinsternis-Flugzeuge ab
Düsseldorf und eins ab Zürich mit gesamt etwa 200
Sofi-Süchtigen zu einem fünfeinhalbstündigen Rundflug über
dem Nordatlantik.
Nach dem Start
ist es noch ruhig an Bord. Direkt hinter der Boeing von Kapitän
Hubertus Schiffer und seinem Copiloten Felix Lauer startet
das zweite Sofi-Flugzeug. Die
dritte Maschine ab Zürich hat bereits eine Stunde eher
abgehoben. Vier freundliche Flugbegleiterinnen servieren ein
Frühstück. Der schwarze Kaffee im Becher scheint symbolisch
für die heutige schwarze Himmelsscheibe zu stehen. Oder sind
manche Passagiere wegen des frühen Aufstehens einfach nur
müde und brauchen eine Portion Koffein extra?
Im Flugzeug
sind mit Absicht nur die Plätze auf der Steuerbordseite belegt, da wo
die Sonnenfinsternis am besten zu beobachten ist. Die
anderen Plätze werden für Gespräche unter Experten genutzt
oder zur Mahlzeit mit reichlich Ellbogenfreiheit. Es soll genug Platz
für alle sein.
|
|
|
Noch eine entspannte Atmosphäre mit viel Platz für alle. Die Sitzreihen auf
der Sonnen abgewandten Flugzeugseite. |
|
|
Manuel Kliese
(32) von airevents organisiert zwischen den meist
amerikanischen Fluggästen, dem Veranstalter und der Crew:
„Bereits zur Sonnenfinsternis 2008 haben wir erfolgreich mit
den Amerikanern zusammengearbeitet. So kamen sie 2013 wieder
auf uns zu.“ Kliese weiter: „Einige Maschinen haben
sogar wegen des großen Interesses keine Flugerlaubnis
bekommen, weil es sonst zu eng im Finsternisschatten
geworden wäre.“
Allmählich
wird es etwas unruhig unter den Passagieren. Zwar ist
erst eine Stunde seit dem Start vergangen und bis zur
Finsternis dauert es noch mehr als zwei Stunden, aber die
Kameras wollen jetzt schon in Position gebracht sein. So
eine Finsternis lässt sich schließlich nicht so schnell
wiederholen Jede Menge Isolierband werden zur Fixierung der
Kameras
gebraucht. Jede Menge Testbilder werden gemacht. Die
Spannung steigt merklich.
|
|
... doch dann sind alle aufgeregt. |
|
War es beim
Finsternisflug 2008 in der Arktis im Luftraum sehr ruhig, so
ist es jetzt richtig voll. „Auf beiden Tracks sind zu diesem
Zeitpunkt insgesamt 29 Flugzeuge unterwegs.“, so Kapitän
Hubertus Schiffer (48), „Die Tracks wurden von ISAVIA (Isländische
Flugsicherung)
speziell für die
Sonnenfinsternis erstellt. Als Grundlage dienen
die Berechnungen der NASA.“ Außerdem gibt es den
regulären Linienverkehr, der zu diesem Zeitpunkt in diesem
Luftraum verkehrt.
Die Boeing
passiert die Shetland-Inseln, steuert nun die Färöer-Inseln
an. Die Passagiere tragen zur Gewöhnung der Augen an die
Dunkelheit Augenklappen und Sonnenbrillen. Jetzt erinnert
das Ganze eher an fotografierende Piraten.
Eine gewisse
Ähnlichkeit mit einem Spinnennetz hat die
Klebebandkonstruktion zur
Befestigung der Kamera an der Kabinenwand von Dr. Glenn
Schneider (59). Er ist Astronom und wissenschaftlicher
Leiter der amerikanischen Gruppe, hat bereits 32
Sonnenfinsternisse seit 1970 beobachten können. „Die
südlichste Finsternis konnte ich 2003 in der Antarktis und
die nördlichste 2008 in der Arktis beobachten.“, erzählt der
drahtige Astrowissenschaftler.
Das Licht
verändert sich zunehmend. Die Färöer werden auf Höhe von
Sandoy überquert. Leider haben die Färinger ziemliches Pech mit dem
kosmischen Ereignis, denn viele Wolken hüllen das
Archipel ein.
In einer
Nordostkurve schwenkt die Boeing in den Laufweg des
Kernschattens ein. Ein kurzer Gruß von den Färöer, die
westlichste Insel Mykines ist kurz und dunkel unter einem
Wolkenband zu sehen.
Dann gibt
Kapitän Hubertus Schiffer mächtig Gas zu einem Wettrennen,
was er nie gewinnen kann. Während die Boeing in 35.000 ft.
Höhe auf 800
Stundenkilometer beschleunigt, rast von hinten der etwa 266,1
Kilometer lange und 466 Kilometer breite Finsternisschatten
mit seinen 3.200 Stundenkilometern heran. Mit bebender
Stimme zählt Wissenschaftler Dr. Glenn Schneider den
Countdown bis zur totalen Finsternis herunter. Die
Passagiere verrenken sich teils auf dem Kabinenboden mit
ihren Kameras. Immer enger schiebt sich die Mondscheibe vor
die Sonne. Immer noch reicht der kleine Rest an sichtbarem
Sonnenlicht aus, um die Augen dauerhaft zu schädigen.
10.43
Uhr - Jetzt verdeckt der Mond fast vollständig die Sonne,
nur noch Sekunden bis zur totalen Finsternis. Die Korona,
ionisiertes ultraheißes Plasma, was Millionen von Kilometern
in den Weltraum schießt, wird um die Sonne am schwarzen
Himmel sichtbar. „The Diamond Ring is visible!“, ruft
begeistert Schneider. Damit ist unter den Astronomen das
Sonnenlicht gemeint, was in diesem Augenblick zwischen den
Mondgebirgen am Rand der Scheiben dringen kann. Die Totale
Sonnenfinsternis hat begonnen!
|
|
„We got it!“ - Die meist amerikanischen
Sonnenfinsternis-Fans nach ihrer Rückkehr an der Boeing am
Düsseldorfer Flughafen. |
|
Dank des
Flugzeuges kann die Totalität von 2:23 Minuten auf 3:39
Minuten gedehnt werden. Alle starren meist durch die Sucher
ihrer Kameras auf dieses unglaubliche Schauspiel. Planeten
und Sterne werden sichtbar. Um die verfinsterte Sonne weht majestätisch
die weiße Korona; grauschwarz ist unten die Wolkenschicht.
Dabei soll sich während der Finsternis die Lufttemperatur um
einige Grade absenken und sich die Globalstrahlung
(Energieeinstrahlung der Sonne) erheblich reduzieren. Davon
ist zumindest in der Kabine nichts zu spüren.
Das Ende der
Finsternis nähert sich unweigerlich. Das Klicken der Kameras
nochmals nimmt zu.
Der 'Diamond Ring' zeigt sich kurz ein zweites Mal. Der
Himmel reißt blau auf, die Farben ändern sich. Die Totale Sonnenfinsternis 2015 ist
Geschichte.
Die Passagiere
sind hellauf begeistert und tauschen intensiv ihre
Beobachtungen aus. Die gemachten Fotos werden gezeigt. Mit
dabei ist Simon J. van Leverink aus dem
niederländischen Alkmaar. Der Ingenieur hat seine Kamera auf
einem Stativ am Fenster stehen: „Das ist meine neunte
Finsternis seit 1980, aber meine erste in einem Flugzeug.“
Der
Finsternisschatten eilt nach vorne weg. Da, wo die
Finsternis ihr 3:39 Minuten währendes Reich hatte, sind
jetzt feine Wolken zu sehen, die sich sofort im
Sonnenlicht auflösen. Weiter im Norden 'überfliegt'
der Kernschatten Spitzbergen, um sich etwa 70 Kilometer vor
dem Nordpol ins Weltall zu verabschieden.
|
|
Der grafische Verlauf des
„Totality Runs“;
vorbehaltlich der Genehmigung durch die zuständigen Air
Traffic Control-Stellen. Die Grafik wurde erstellt mit Solar
Eclipse Maestro von Xavier Jubier. |
(Mit freundlicher
Genehmigung von Eclipse-Reisen) |
|
Kapitän
Hubertus Schiffer kommt kurz in die Kabine, um mit dem
amerikanischen Veranstalter, Astronom Kelly Beatty von
TravelQuest International, und Manuel Kliese von airevents
mit Mineralwasser anzustoßen.
Schiffer zum Flug: „Dr. Glenn
Schneider hatte für die Mid-Totality folgende Daten
errechnet: Koordinate von 63.21889N 7.155562W; Zeitpunkt
09:43:30 UTC. Dies war unsere Vorgabe! Um diesen Punkt zu
erreichen mussten wir, nach dem genehmigten Flugplan, mehr
als 2000 Kilometer zurücklegen. Viele Maßnahmen mussten
schon weit vor dem Abflug geplant und koordiniert werden.
Viele Mitarbeiter hatten bereits Wochen vorher mit der
Arbeit diesbezüglich begonnen und dadurch wurde erst dieser
besondere Flug ermöglicht. Die Koordination mit Iceland
Control und das exakte Zeitmanagement unter Berücksichtigung
der aktuellen Wetterdaten, stellte für uns (die Flightcrew)
die größte Herausforderung da. Aufgrund der sehr guten
Kooperation mit Iceland Control, der exakten Navigation und
des sehr genauen Zeitmanagements ist es meinem Kollegen
Felix Lauer und mir gelungen, die Koordinate Sekunden genau
zu überfliegen.“
Unter den
Passagieren ist auch Karsten von dem Hagen, Leiter Verkauf
Sonderflüge von airberlin: „Bereits ein Jahr zuvor
haben wir mit der Erstellung der Flugpläne begonnen und
unsere drei SoFi-Flüge bei
der zuständigen isländischen Flugsicherungsbehörde ISAVIA
beantragt. Die drei
involvierten Flugkapitäne- Wilhelm Heinz, Hubertus Schiffer
und Ralf Hoheisel - tauschten sich
im Vorfeld der Flüge
untereinander über den Flug
aus. So waren alle drei Flugzeuge auf die Sekunde im
Finsternisschatten unterwegs. Genau wie es in Koordination
mit Dr. Glenn Schneider errechnet wurde.“
Die Stimmung
war auf den beiden anderen Maschinen ebenfalls prächtig. Vor
der Finsternis mussten die Passagiere den schnellen Wechsel
der Plätze üben, damit jeder ans Fenster konnte. Das
bereitete schon viel Spaß. Stefan Krause von Eclipse-Reisen
in Bonn: „An Bord der Zürich-Maschine waren wir mit drei
Betreuern - Lutz Schönfeld von airevents, Dr. Wolfgang Strickling als
Astronomie-Experte und ich als deutscher Veranstalter. Auch
hier war alles bestens.“
Für die nächste Zukunft sind bei dem Bonner
Finsternis-Spezialisten Eclipse-Reisen.de ein
Beobachtungsflug zur totalen Mondfinsternis am 28. September
2015 (noch nicht online) geplant. Weiter ein
Polarlicht-Flug am 14. November 2015 und natürlich wieder
ein Silvesterflug nach Spitzbergen. Die Sonnenfinsternis 2016 in
Indonesien steht nebst diversen
Polarlicht-Gruppenreisen auch auf dem Programm.
Während die
Passagiere feiern, schnappen sich zwei Amerikanerinnen das
Bordmikrofon und stimmen ein auf den Sinatra-Song „Fly Me To
The Moon“. Immerhin der erste Titel, der 1969 von den
Astronauten auf dem Mond zu hören war.
Weil es heute
um Sekunden ging; der Flug dauerte vom Start bis zur Landung
genau 20043 Sekunden. Davon war 219 Sekunden lang alles
finster.
|
|
|
|
|
Auf dem Weg zur Finsternis; bei Emsdetten ragt ein
Schornstein aus dem Nebel. |
|
|
Astronom Dr. Glenn Schneider (li.) und Organisator Manuel
Kliese beobachten die Wolken. |
|
|
29 Flugzeuge sind zeitgleich im 466 Kilometer breiten
Kernschatten unterwegs. |
|
|
Zeitpläne und Kamera sind montiert - das 'Büro' von
Astronom Dr. Glenn Schneider |
|
|
Alles fest im Griff. Die Vorbereitungen laufen. |
|
|
Beste Bedingungen für seine Sonnenfinsternisfotos hat Simon J. van Leverink
aus dem niederländischen Alkmaar. |
|
Piraten an Bord?! Zu den Vorbereitungen nutzen manche Sofi-Fans Augenklappen. |
|
|
|
|
|
Nur schwach ist Mykines, die westlichste der Färöer-Inseln,
zehn Minuten vor der Finsternis unter den Wolken zu
erkennen. |
|
Der Kernschatten naht von rechts mit 3.200
Stundenkilometern. Nur noch wenige Sekunden bis zur Finsternis. |
|
|
|
|
|
Die Finsternis beginnt. Der Mond verdeckt jetzt die
Sonne. |
|
|
Der Himmel während der Finsternis.
Der Schatten ist auf der Höhe der Färöer etwa 266,1
Kilometer lang, 466 Kilometer breit und 3.200
Stundenkilometer schnell. |
|
Nach 219 Sekunden entschwindet der
Schatten in Richtung Nordpol. |
|
|
|
|
|
Wenige Sekunden nach der Totalität - Wohl durch den Temperaturrückgang während der Finsternis
haben sich dünne Wolken gebildet, die sich unmittelbar nach
der Finsternis auflösen. Oben in der Sonnenreflexion
ist gut zu erkennen, wie dicht Sonne und Mond noch zueinander
stehen und dennoch die schmale Sonnensichel für gleißendes
Licht ausreicht. |
|
|
„That's it!“ - Nach der dunklen Finsternis der feine
Champagner. |
|
|
„Alles hat bestens funktioniert.“ Organisator
Manuel Kliese (airevents), Astronom Kelly
Beatty (TravelQuest) und Flugkapitän Hubertus Schiffer (airberlin). |
|
|
Tradition bei den Amerikanern - Nach dem kosmischen
Schauspiel wird die Sonnenfinsternisflagge durch das
Flugzeug getragen. |
|
Spontanes Singen von zwei
Amerikanerinnen mit „Fly Me To The Moon...“
Es war auch der erste Song, der 1969 auf dem
Mond zu hören war. |
|
|
|
|
|
Sekunden genaues Timing - Kapitän Hubertus Schiffer. |
|
„Die
drei Sonnenfinsternisflüge wurden seit einem
Jahr präzise vorbereitet.“,
Karsten von dem Hagen von airberlin
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Links & Info - |
|
Das
Eclipse Reisen-Reisebüro in der Südstadt, Weberstraße 8,
53113 Bonn, ist in Europa z. B. auf Arktisreisen zum
Nordpol und nach Spitzbergen spezialisiert. Weiter führt es
Sonnenfinsternisflüge und Flüge zur Nordlichtbeobachtung
durch. Der oben beschriebene
Sonnenfinsternisflug variierte je nach Sitzplatz zwischen
1440 € und 2340 €.
TravelQuest
International, 332 N Rush Street, Prescott, Arizona
86301, USA, ist der Ansprechpartner auf dem amerikanischen
Kontinent für Nord- und Südpol-Touren, führt weiter
kompetent Reisen u. a. in die Arktis durch. Für 2017 wird
sogar eine Reise ins Weltall mit dem privaten Raumschiff
Virgin Galactic angeboten. |
|
Text und Fotos:
Th. Bujack
|
Veröffentlichung und Verbreitung nur mit
Einverständnis des Autors bzw. der NORDLANDSEITE!
Alle Rechte bei der NORDLANDSEITE, 2015
|
nach
oben |