Nordpol
 
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Bizarre Form des Packeises zwischen Nordpol und Grönland 

 

Nordpolflug 2013 - Unbekannte Inseln entdeckt?

Grönlands fantastischer Norden
 

Zuerst ist es ein tiefes Blau und ein endloses aber umso facettenreicheres Weiß, der Himmel und das Packeis um den Nordpol. Dann sehen Flugkapitän Wilhelm Heinz und sein Copilot Stephan Tophoven im Cockpit die majestätische Nordküste Grönlands auf sich zukommen. Bei bestem Wetter und in nur 3.500 Metern Flughöhe erreicht die Flugexpedition die nördlichste Landmasse auf unserem Planeten, das Kap Morris-Jesup auf Grönland. Die 262 TeilnehmerInnen schauen begeistert aus den Fenstern.

Am Morgen des 27. April um genau 8.04 Uhr ist der airberlin Airbus A330-200 von Berlin-Tegel aus gestartet. Die Deutsche Polarflug unternimmt ihren siebten Nordpolflug seit 2007. Diesmal gibt es Nebel und Wolken im Polargebiet. Die Bäreninsel versteckt sich unter einer Wolkendecke, so wie sie es im Durchschnitt 330 Tage im Jahr macht.

Nach knapp drei Stunden ist Spitzbergen erreicht. Es gibt ungewöhnlich viel Drifteis um das Südkap. Die Landschaften und Berge der arktischen Inselgruppe, die 1596 von dem Holländer Willem Barents entdeckt wurde, sind schneeweiß und teils von Nebel umhüllt. Leider wird der Nebel dichter.

„Das Wetter ist in der Arktis immer ein Risikofaktor.", sagt Manuel Kliese vom Veranstalter Deutsche Polarflug. Die Passagiere nehmen es gelassen und hören gespannt den Berichten von ESA-(European Space Agency)- Wissenschaftler Alexander Soucek zu. Er referiert über die Arktis und beantwortet Fragen wie zum Beispiel die Frage nach der Uhrzeit am Pol. „Es gilt die mitgebrachte Zeit, da der Nordpol im internationalen Gewässer liegt, also zu keinem Land gehört.", antwortet Soucek.

Champagner am Pol

Der Airbus verlässt langsam die Reiseflughöhe, geht auf knapp 2.000 Meter herunter. Um 12.55 Uhr zählt Veranstalter Manuel Kliese die Sekunden bis zum Erreichen des Pols herunter „… drei, zwei, eins!" Die Passagiere jubeln. Es gibt Champagner zum Anstoßen. Flugkapitän Wilhelm Heinz fliegt zwei Kreise um den ‚Tingishu‘, wie der große Nagel bei den Polarinuit heißt. Bei den Kreisen werden alle Zeitzonen inklusive Datumsgrenze der Erde passiert. Eine Mitreisende kann so schon zwei Mal einen Tag vorab ihren Geburtstag feiern.

Das Fotografieren gestaltet sich diesmal schwierig, denn es gibt kaum etwas zu sehen. Die Wolkendecke ist einfach zu dicht. Kurz werden Eis- und Wasserflächen im Nebel erkennbar. Das war es schon mit dem Nordpol.

Dabei war im April viel los am Pol. Eine Karelische Hundeschlittenexpedition startete ab dem Pol, um mit einer Längsquerung durch Grönland im August Kap Farvel im Süden zu erreichen. Außerdem versenkte die Umweltorganisation Greenpeace eine Kapsel mit 2,7 Millionen Unterschriften genau am Pol mit der Forderung zur Errichtung einer Schutzzone in der Arktis. Und vor knapp zwei Wochen rannten hier noch 64 Marathonläufer aus 20 Länder bei minus 30 Grad ganz cool ihre 42 Kilometer um den großen Nagel.

Eisbärin in der Kabine

Unterdessen wandert eine Eisbärin durch die Kabine, die anderen Passagiere lassen sich gerne mit ihr fotografieren. Susanne ist die Gewinnerin eines Preisausschreibens von arktis.de, einem Anbieter von Unterhaltungselektronik. Der ungewöhnliche Hauptpreis, ein Flug zum Nordpol, muss natürlich ganz stilvoll mit einem Eisbärenkostüm begangen werden.

Es folgen die etwa 700 Flugkilometer bis Grönland. Unterwegs verziehen sich endlich die Wolken. Herrlich liegt das Packeis gut sichtbar frei. 

 

[Fortsetzung der Reportage unter den Fotos]

Bitte einsteigen - der airberlin Airbus A330-200, das Nordpolflugzeug

Vollbesetzt startet der Airbus morgens um 8.04 Uhr

Das Licht- und Schattenspiel auf Spitzbergen

Der Nordpol im Nebel. Der Airbus kreist um den großen Nagel in gut 1.500 Metern Höhe.

Der Nordpol ist erreicht!

Unbekannte Inseln?
[Durch Anklicken größer]

Der Anflug auf Grönlands nördliche Küste.

Links liegt die Kaffeklubben-Insel. Rechts im Kasten die Kleinstinseln, die noch nördlicher liegen.

So sahen die Kleinstinseln aus etwa 3.500 Metern Höhe aus. Vier sind bekannt - ATOW1996, RTOW2001, 84-42 (Schmitt's Island) und Ultima Thule 2008. Jedoch waren jetzt mindestens zwei Weitere zu erkennen. (sechs Pfeile), außerdem einige Flecken, die den anderen zumindest ähnlich waren (Fragezeichen).

Die Kaffeklubben-Insel auf 83° 39' 42" nördlicher Breite und 30° 36' 36" westlicher Länge. Sie liegt 3,80 km nördlicher als das Kap Morris Jesup. Bis zum Nordpol sind es von hier aus lt. wikipedia exakt 705,58 Kilometer.

Das Kap Morris Jesup, in den meisten Büchern als nördlichster Landpunkt der Welt vermerkt. Rechts unten ganz klein die nördlichere Kaffeklubben-Insel (Pfeil).

Wie eine erstarrte Welle wirkt dieser Anstieg auf Peary-Land.

Wo Wind und Wetter wie hier im Norden Grönlands markante Spuren hinterlassen. Bald sollen in der Region nach Zink- Bleivorkommen gesucht werden.

Der große Elefantenfußgletscher auf  Kronprins- Christian-Land

Ein weiterer kleiner Elefantenfußgletscher im Nordosten Grönlands.

Ein arktisches Puzzle, zerbrochene Eisplatten im zugefrorenen Wasser.

Spannende Landschaftsblicke an der Küste.

***
Fortsetzung

Jetzt steuert Flugkapitän Wilhelm Heinz auf Kap Morris-Jesup auf Grönland zu. Er kennt die Arktis genau, war schon sechs Mal am Nordpol. Unterdessen zeigt Veranstalter Sven Maertens von der Deutschen Polarflug in der Kabine ein kleines Stück Blech mit großem historischen Hintergrund. Es ist ein Teil des legendären Dornier-Flugbootes N-25, des Amundsen-Wal (siehe unten).

Mit diesem Flugzeug wollte der große norwegische Polarforscher und 1911 Südpolentdecker, Roald Amundsen, 1925 auch den Nordpol erreichen. Doch eine Notlandung auf dem Packeis 250 Kilometer vor dem Pol machte Amundsens Pläne zunichte. Unter unglaublichen Strapazen und Zufällen gelang es Amundsen und seinen Männern, nach knapp vier Wochen abgemagert aber unverletzt nach Spitzbergen zurückzukehren.

Amundsen war 87 Jahre vorher am Nordpol

Ein Jahr später, 1926, erreichte Amundsen an Bord des Luftschiffes Norge wirklich den Nordpol. Der Amundsen-Wal wurde 1930 von Wolfgang von Gronau beim ersten Transatlantikflug in Ost-West-Richtung eingesetzt. Selbst der Präsident der Vereinigten Staaten, Herbert C. Hoover, jubelte von Gronau und seinem Amundsen-Wal bei der Ankunft in New York zu. 1932 kam das Flugboot in das Deutsche Museum nach München. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde es in den Bombenhagel zerstört. Einige wenige Blechstücke konnten gerettet werden. Das jetzt gezeigte Blechstück war noch vor einigen Tagen im Dorniermuseum am Bodensee ausgestellt, wo es im Rahmen der Präsentation eines 1:1-Nachbaus des Amundsen-Wal zu sehen war. Bei der Ausstellungseröffnung waren im Sommer 2012 auch Schauspieler Hardy Krüger und die damalige Bundesministerin für Bildung und Forschung, Annette Schavan, zugegen. Per Express wurde das kleine Blechteil jetzt durch die Republik nach Berlin geschafft, damit es beim Flug mit an Bord sein kann.

Von der Präsentation des kleinen Blechteiles heute am Nordpol sind die Passagiere ganz angetan. Ein Fluggast möchte sogar ein Autogramm des Sammlers haben und mit ihm fotografiert werden. Dazwischen arbeiten gut eingespielt die Stewardessen und Stewards, immer mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht. Falls es Probleme gibt, helfen sie sofort weiter.

Neue Insel entdeckt?

An Bord ist wieder Tom, der „Nordpolverrückte vom Niederrhein", wie er sich selbst nennt, der auch schon bei anderen Flügen mit dabei war. Tom beobachtet beim Anflug auf Grönland das Packeis ganz genau. Er glaubt unmittelbar vor dem Kap Morris-Jesup die klitzekleine Insel Kaffeklubben entdecken zu können. „Diese Insel ist 1900 von dem Amerikaner Robert Edwin Peary gesichtet worden. Nördlicher können es auch die Kleinstinsel Oodaaq oder eine der Steinbänke ATOW1996, RTOW2010, 83-42 und Ultima Thule 2008 gewesen sein. Oder es sind sogar ganz neue unbekannte Inseln." (s. o.)

Um 14.05 Uhr erfolgt die Passage von Kap Morris Jesup. Diese weite unwirkliche Landschaft unter der Maschine begeistert Passagiere, Piloten, die Crew und Veranstalter gleichermaßen. ‚Kalaallit Nunaat‘, wie Grönland in der Landessprache heißt, ist die größte Insel der Welt und etwa sechsmal so groß wie Deutschland. Bis vor 700 Jahren lebten hier oben noch die Polarinuit der Thule-Kultur. In naher Zukunft sollen im Nordosten von Pearyland Zink- und Bleivorkommen gefördert werden.

Elefantenfüße

Kapitän Heinz steuert einen östlichen Kurs nach Kronprins-Christian-Land, um die Küste südwärts zu passieren. In der Ferne ist der sogenannte Elefantenfußgletscher zu erkennen, der wohl in der Form größte und gleichmäßigste aller Elefantenfuß-artigen Gletscherabflüsse in der Arktis. Weiter geht es vorbei an den Stationen Daneborg, Sitz der Sirius-Patrouille und Danmarkshavn. Unglaubliche Eindrücke reihen sich pausenlos aneinander.

Echte Eisbären

Die Wolken nehmen wieder zu. Der Airbus dreht in Richtung Heimat ab. Die Passagiere sind teils erschöpft angesichts der vielen Eindrücke oder hören weiter den spannenden Berichten von ESA-Wissenschaftler Alexander Soucek zu. Er ist es übrigens, der drei echte, lebendige Eisbären zu sehen bekommt, nämlich am nächsten Morgen im Berliner Zoo.

An Bord ist auch Dr. Peer Schmidt-Walther aus Stralsund. Der Autor und Journalist ist heute zum dritten Mal am Nordpol, 1990 mit dem sowjetischen Atomeisbrecher NS Rossija  auch unten auf dem Eis. Er steht den Passagieren als weiterer Lektor zur Verfügung und beantwortet von Sitzreihe zu Sitzreihe zahlreiche Fragen, zum Beispiel wie viele Menschen denn bis jetzt am Nordpol waren. Da das nirgendswo vermerkt ist, muss er einen Überschlag machen und kommt auf mindestens 10.000 Menschen, hauptsächlich seit 1990. Bei einem Heimspiel z. B. von Fortuna Düsseldorf sind also mehr Zuschauer als bis jetzt Menschen je am Nordpol waren...

Eine letzte Mahlzeit, gut 9.000 Kilometer sind jetzt zurückgelegt. Nach so vielen Breitengraden ist der airberlin Airbus genau 42601 Sekunden in der Luft. Um 19.54 Uhr setzt das Flugzeug wieder in Berlin-Tegel. 262 Passagiere danken Besatzung und Veranstalter mit viel Applaus!

 

Einer der drei Eisbären, die ESA-Wissenschaftler Alexander Soucek am nächsten Tag im Berliner Zoo sah.

***

 

 
amundsen
1925 - Roald Amundsen lehnt sich vor dem Start auf Spitzbergen an den Dornier-Wal N-25. Ein Foto aus seinem Buch „Die Jagd nach dem Nordpol“.
 

Roald Amundsen und der Dornier-Wal N-25

Der Norweger Roald Amundsen (1872 - 1928(?)) will 1925 mit zwei Dornier-Flugbooten den Nordpol erreichen. Beide Maschinen müssen auf Höhe des 88. Breitengrades auf dem zerfurchten Packeis notlanden.

In einer schier unmenschlichen Aktion, ohne Werkzeug und in einer lebensfeindlichen Gegend schaffen die fünf Männer um Amundsen in knapp vier Wochen 500 Tonnen Eis und Schnee beiseite, um eine Startbahn auf das gefrorene Meer zu ebnen.

Daheim wird unterdessen die Rettungsexpedition in die Wege geleitet. So gelten die sechs Männer als abgestürzt und verschollen. Ein Schicksal, welches Amundsen drei Jahre später wieder und diesmal endgültig widerfahren soll.

Den Männern gelingt auf dem Packeis schließlich das Unglaubliche. Sie ebnen eine 500 Meter lange und zwölf Meter breite Piste in das kantige Packeis. Mit dem einem Flugboot, dem N-25, können sie zu sechst an Bord erfolgreich starten, „mit dem Tod als Fahrgast“, wie es später Amundsen in seinem Buch „Die Jagd nach dem Nordpol“ schreibt.

Ein Flug von 850 Kilometer bis Spitzbergen steht den Männern in dem überladenen Flugboot bevor, wo sie unter dramatischen Umständen erfolgreich wassern können. Ein Fischkutter kann die Heimkehrer an der Nordküste aufnehmen und am Abend des 18. Juni nach Ny Ålesund zurückbringen Amundsen, Dietrichson, Ellsworth, Feucht, Omdal und Riiser-Larsen sind gerettet.

Ein Jahr später, 1926, kann Amundsen an Bord des Luftschiffes Norge wirklich den Nordpol erreichen. Damit ist Roald Amundsen der erste Mensch am Südpol (1911), der erste Bezwinger der Nordwestpassage (1906), der zweite Bezwinger (nach dem Schweden Nordenskiöld) der Nordostpassage (1918-1923) und wahrscheinlich auch der erste Mensch am Nordpol zusammen mit Umberto Nobile und Lincoln Ellsworth (1926). Amundsen - ein globaler Wikinger.

 

Links oben im Bild das in Kunstharz eingegossene Originalteil des Amundsen-Wal.

 

1930 startet der deutsche Flugpionier Wolfgang von Gronau mit dem Dornier Amundsen-Wal, das jetzt die Kennung D-1422 trägt, zu seinem Transatlantikflug, dem ersten Flug von Sylt nach Amerika von Ost nach West. In mehreren Etappen erreicht er New York und wird dort umjubelt von dem amerikanischen Präsidenten Herbert Hoover empfangen.

1932 kommt der Dornier Amundsen-Wal in das Deutsche Museum nach München und wird ausgestellt. Bei Angriffen 1944/45 wird auch das Museum zerbombt, der Amundsen-Wal ist komplett zerstört. Einige wenige Blechteile können geborgen werden. Diese werden in Kunstharz eingegossen und erinnern an das großartige Dornier-Flugboot.

 

(Quelle: Die Jagd nach dem Nordpol, Mit dem Flugzeug zum 88. Breitengrad, Roald Amundsen, im Verlag Ullstein, Berlin, o. J.)

[Ausführlicher Bericht über den Amundsen-Flug 1925 hier]
 

Text und Fotos: Th. Bujack

Veröffentlichung und Verbreitung nur mit Einverständnis des Autors!

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