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Vielleicht der
berühmteste Sohn Norwegens: Fridtjof Nansen |
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Fridtjof
Nansen wurde 1861 geboren |
Wegbereiter
in Forschung und Wissenschaft |
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Fridtjof Nansen
war nicht nur ein großer Sohn Norwegens, Nansen war ein Phänomen!
Walter Bauer bezeichnet ihn in seiner Nansen-Biographie als „Polarforscher,
Zoologe, Geograph, Meteorologe, Ozeanograph, Konstrukteur,
Organisator, Schriftsteller, Universitätsprofessor und Rektor,
Gesandter, Völkerbundsdelegierter, Hoher Kommissar“ und
„Friedensnobelpreisträger“. Seine Forschungen um
die Jahrhundertwende, besonders im Polarmeer, waren richtungsweisend für die
Wissenschaft. Er überwinterte in menschenfeindlichen Gegenden. Er war der „Königsmacher“, als Norwegen die Unabhängigkeit von Schweden anstrebte. Sein
unermüdlicher Einsatz für unterdrückte Völker und Minderheiten wurde 1922 mit dem
Friedensnobelpreis geehrt, und nebenbei war er Professor für Zoologie und Meereskunde.
Die
verschiedenen Biographien über Nansen suchen das Ungewöhnliche bei diesem
ungewöhnlichen Mann schon im Kindesalter. So berichtet Eugen von Enzberg von Nansens
Tapferkeit, als sich ein Angelhaken in den Lippen des kleinen Fridtjofs verfängt und die
Mutter ihm das spitze Ding mit einem Messer wieder herausschneiden
muss. Nansen habe dabei
noch nicht einmal mit der Wimper gezuckt, berichtet die Legende! Diese Liste ließe sich
mit entsprechendem Pathos beliebig fortsetzen.
Dass Nansen ein außergewöhnlicher
Sportsmann ist, beweist schon die Tatsache, dass er als 21jähriger beim
Eissschnelllauf nur
knapp dem künftigen norwegischem Weltmeister Axel Poulsen unterliegt.
Fridtjof Nansen wird am 10.
Oktober 1861 in der Nähe von Kristiania (Oslo) auf dem Gut Mellom Frøen geboren. Einer seiner
Vorfahren übt eine große Faszination auf den heranwachsenden Fridtjof aus: Hans
Nansen, Forscher und Oberbürgermeister von Kopenhagen im siebzehnten Jahrhundert. Dieser
war durch Russland gewandert und erforschte im Auftrag des russischen Zaren die Küste des
Weißen Meeres.
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Titelkupfer mit Nansens' Vorfahren Hans Nansen |
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In einem zweibändigen Werk
über die „Algemeine Welthistorie von Anbegin der Welt bis auf gegenwärtige Zeit
XXXIII. Theil. Historie der neueren Zeiten XV. Theil. Halle verlegts Johann
Justinus Gebauer“ von 1770,
findet sich auf der ersten Seite ein Kupfer, wo ein
Vorfahr von Fridtjof Nansen abgebildet ist. Dieser Ahn stammt laut Quelle
gebürtig aus Flensburg. Die Bildbeschreibung lautet: „(…) Präsident
Nansen, Erzbischof Svaning, und ein Abgeordneter des Ritterstandes, in
Beyseyn eines Amagrischen Landmannes, dem König Friedrich die Souverainitäts=Urkunde
übergeben.“
Anlass der Übergabe der
Urkunde, die am Nachmittag des 26. September 1660 statt fand, war die
Installierung der Erbmonarchie in Dänemark durch König Friedrich III. Hans Nansen lebte von
1598 bis 1667.
Zu Hans Nansen steht weiter im Buch: „Nansen war aus Flensburg
gebürtig, und wurde 1620 königlicher Dolmetscher am russischen Hofe, an dem
er schon seit 1614 aufgehalten hatte, ferner nach einiger Zeit Vorsteher der
isländischen Handelsgesellschaft, 1639 Ratsherr und 1644 Bürgermeister in
Koppenhagen. Er kannte die Privilegien aller Stände und die dänische
Reichsverfassung sehr genau, und schrieb eine russische Reisebeschreibung
nebst einer Anleitung zur Weltbeschreibung, die zu ihrer Zeit in grosser
Achtung stand. (…)“. Hans Nansen
erforschte
damals im Auftrag des Zaren die Kolahalbinsel und das Weiße Meer. |
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Hinweis: Die ursprüngliche
Schreibweise des Originaltextes wurde in den Zitaten beibehalten. Die Bücher
stammen von 1770. |
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Fridtjof Nansen 1896 nach seiner
Rückkehr von der Fram-Expedition. |
Hans Nansen, ein Vorfahre Fridtjofs,
wirkte im 17. Jahrhundert, hier auf einer Darstellung aus dem 18.
Jahrhundert. Die Ähnlichkeit ist verblüffend! |
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In der Schule gehören
Mathematik, Physik und Chemie zu seinen Lieblingsfächern. Nach dem Abitur beginnt er mit
dem Studium der Zoologie. Im Jahr 1882, nach Abschluss des zweiten Semesters, fährt der
21jährige Nansen an Bord des Robbenfängerschiffs Viking das
erste Mal in die Arktis und sammelt die ersten Erfahrungen im Polareis.
Dass er mit
analytischem Verstand an die Faszination Arktis herangeht, beweisen schon seine damaligen
Forschungen.
Er misst die Wassertemperaturen
in verschiedenen Meerestiefen. Mit den sehr intensiv durchgeführten Untersuchungen
widerlegt er die gängige Lehrmeinung, dass sich das Pack- bzw. Meereis nicht - wie
angenommen - mindestens in einer Wassertiefe von 31 Metern bildet, sondern an der
Oberfläche. Eine weitere wichtige Erkenntnis ist, dass das Treibholz, welches an die Küste
Grönlands angeschwemmt wird, aus Sibirien stammt.
Für Nansen ist dies ein Indiz
für eine bewegliche Eiskappe über dem Nordpol hinweg. Schlamm-, Staub- und Pflanzenproben
stützen diese Annahme. Nach seiner Rückkehr arbeitet Nansen als Konservator im
naturwissenschaftlichen Museum in Bergen unter der Leitung des bekannten Arztes und
Lepraforschers Daniel Cornelius Danielssen. Er sieht in Nansen seinen geistigen Ziehsohn.
In Bergen ist er eng mit Edvard Grieg, dem norwegischen
Komponisten, befreundet.
Im Frühjahr 1886 fährt Nansen
nach Italien. Dort trifft er mit dem Histologen Camillo Golgi zusammen, dessen Arbeiten
mit der Färbung von Zellstrukturen ihn sehr interessieren.
Seine Hauptzeit verbringt er bei
dem aus Jena stammenden Privatdozenten Anton Dohrn. Dieser hat in Neapel eine Art Aquarium
errichtet, wo sich das Studium an lebenden Tieren betreiben lässt. Nansen ist davon so
begeistert, dass auf sein Drängen hin in Drøbak bei Oslo später auch so eine Station
eingerichtet wird.
In all dieser Zeit reift sein
Plan, das grönländische Inlandeis zu durchqueren, welches noch als terra incognita gilt.
Im Sommer 1888 ist es dann soweit. Nach beschwerlicher Landung startet die
sechsköpfige Gruppe
- mit dabei Otto Sverdrup, der Nansen später auf der Fram
begleitet - vom Umivikfjord aus an der Ostküste in das unbekannte Inlandeis. Nansen
hofft, nach gut einem Monat Wanderung und 700 Kilometern Wegstrecke am
Ameralikfjord an
der Westküste wieder auf Menschen zu treffen.
Dass
diese Expedition keine
Abenteuertour ist, zeigen schon die intensiven Vorbereitungen. Nansen baut spezielle
Schlitten und Boote, und die Teilnehmer werden auf extreme körperliche Situationen
geprüft. Dadurch wird das Risiko des Scheiterns der Expedition wesentlich verringert.
Nansen ist kein Draufgänger, auch wenn viele Leute ihn dafür halten mögen.
Nach einer
abenteuerlichen Odyssee auf Eisschollen an der Küste beginnt ab Mitte August
1888 der
Aufstieg in das bis zu 3.200 Meter mächtige Inlandeis. Nach harten, körperlichen
Entbehrungen und 40 Tagen Wanderung haben die sechs Männer an der Westküste wieder
festen Boden unter ihren Füßen. Der grönländische Eispanzer in
einer Ost-Westquerung ist zum erstenmal
bezwungen.
Da die Gruppe in Godthåb bis
zum Frühjahr auf das nächste Schiff warten muss, das sie wieder nach Kopenhagen bringen
soll, freundet Nansen sich mit den Inuit (Eskimos) an, lernt ihre Kultur und Sprache, und
empfindet eine tiefe Bewunderung für sie. Der Abschied von ihnen im folgenden Frühjahr
fällt ihm außerordentlich schwer. Diese Erfahrungen verarbeitet Nansen später in dem
Buch Eskimoleben. Über die eigentliche Reise publiziert er
das viel beachtete Werk Auf Schneeschuhen durch Grönland. Für die
Expedition verwendete Nansen Schneeschuhe bzw. Skier, die dann im restlichen
Europa überhaupt erst bekannt wurden. Dank Nansen gibt es seitdem z. B.
das Skifahren im
Schwarzwald.
Im dortigen gerade neu gegründeten Ski-Club Todtnau wird er sogar zum
Ehrenmitglied ernannt!
Was hat die Expedition gebracht?
Nansen hat damit die geschlossene Inlandeisdecke nachgewiesen, die sich von Grönlands
Ost- zur Westküste erstreckt. Weiter hat er erste und wichtige meteorologische Messungen
in der „Wettermaschine“ der größten Insel der Welt gemacht und
den Weg für weitere Expeditionen geebnet.
Nach seiner Rückkehr heiratet
Nansen die Sängerin Eva Sars. Ihr Vater, Michael Sars, ist Pfarrer und Zoologieprofessor; ihre Mutter
hat neunzehn Kindern das Leben geschenkt. Die Hochzeitsreise wird zugleich zur Vortragsreise,
die die Beiden in die europäischen Metropolen führt. Nansen wird umjubelt und geehrt.
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Auf Polhøgda liegt Fridtjof Nansen begraben.
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Foto: NORDLANDSEITE (2003)
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Wieder in Norwegen wird das Haus
Godthåb bei Lysaker gebaut. Langsam entsteht der
Plan einer weiteren Polarexpedition. Nansen studiert die Expeditionsberichte von
Nares, Greeley, Parry, Ross, Hovgaards, Cook und De Long.
Gerade der Bericht von der
verunglückten Jeanette-Expedition unter Georg Washington De
Long bekräftigt Nansen in seiner 1882 aufgestellten Theorie einer Drift, einer Treibfahrt
im Packeis, über das Polarmeer. De Longs Schiff Jeanette war im
Juni 1881 nördlich der Beringstraße vom Packeis zermalmt worden, nur wenige
Besatzungsmitglieder überlebten. Teile des Schiffes wurden später an der Küste
Südostgrönlands gefunden, 2900 Seemeilen von der Unglücksstelle entfernt.
Nansen hat die Idee, sich mit
einem packeistauglichen Schiff im Polareis einfrieren zu lassen, um so über den Nordpol
bis zum Nordatlantik zu driften. Mit dem Schiffsbauer Colin Archer konstruiert er die
Fram. Mit dem Ernährungswissenschaftler
Torup wird der Proviant ausgesucht. Die Expedition soll zwei Jahre dauern, Verpflegung
für fünf Jahre ist an Bord. Auch bei dieser Reise ist alles mehrfach abgesichert.
Zwar finden sich nur wenige
Befürworter, doch das norwegische Storting unterstützt die Expedition mit 200.000
Kronen. Insgesamt zwölf Männer unter der Leitung von Fridtjof Nansen und
Kapitän Otto Sverdrup stechen im Juli 1893 in See Richtung Nordosten.
In der Nähe der Neusibirischen Inseln friert die Fram
friert am Packeisrand fest.
Nansen muss bei seinen
wissenschaftlichen Arbeiten seine falsche Annahme von einem seichten Polarmeer revidieren.
Die Lotungen ergeben Werte von über 1.800 Meter Wassertiefe. Durch diese große Tiefe
sind die Auswirkungen der Wasserströmungen nur sehr gering auf die Eisdrift. Die
Hauptursache für diese, so nimmt Nansen an, liegt eher in der Windkraft. Weitere,
nördlichere Messungen ergeben Wassertiefen von 2.000 und 3.000 Metern. Damit ist auch der
Glaube von Land und Inseln am Nordpol hinfällig.
Die Nähe des Pols und das
träge Dasein an Bord des Schiffes lassen bei dem Forscher Nansen dann doch den Ehrgeiz
entstehen, der erste Mensch am Pol zu sein. So wird am 14. März 1895 endgültig der Start
in Richtung Nordpol gewagt. Zusammen mit Frederik Hjalmar Johansen
verlässt Nansen die Fram bei 84 Grad, 13,6 Minuten nördlicher
Breite. 660 Kilometer eisige Strecke liegen zwischen ihnen und dem Pol.
(Frederik
Hjalmar
Johansen stellt in seinen privaten Aufzeichnungen Fridtjof
Nansen auf der Fram-Expedition 1893/96 eher negativ dar. Später
empfahl Nansen dann Johansen an Amundsen für die geplante
Nordpolexpedition - die dann zum Südpol ging - weiter.
Amundsen nahm Johansen zunächst in seiner Mannschaft auf,
schloss ihn aber jedoch wegen eines Vorfalls bei Amundsens erstem Polvorstoß
von der späteren erfolgreichen Südpolerstürmung aus. Sozial völlig heruntergekommen, nahm sich Johansen
im Januar 1913 durch einen Kopfschuss das Leben.)
Nach nur drei Wochen Wanderung
erkennt Nansen, dass das Ziel zu hoch ist. Er ist Realist genug um einzusehen,
dass es besser sei umzukehren. Nansen und Johansen stehen jetzt auf 86 Grad, 14 Minuten nördlicher
Breite. So weit nördlich ist kein Mensch vorher gewesen. Der Rückmarsch wird sehr beschwerlich.
Auch können die beiden Eiswanderer durch eine Unachtsamkeit Johansens nicht mehr
genau ihre Ostwestrichtung feststellen.
Es dauert bis zum 14. August
1895, bis sie auf Franz-Josef-Land wieder festen Boden unter den Füßen haben. Doch
Treibeis zerstört die Hoffnung, weiter nach Süden zu kommen. Die dritte Überwinterung,
die dritte Polarnacht steht an.
Im folgenden Juni des Jahres 1896 überschlagen sich
die Ereignisse: Am 12. Juni treiben die Kanus weg, beladen mit Proviant und Ausrüstung.
Nansen springt in das eiskalte Wasser und schafft es dank seiner sportlichen Konstitution,
die zusammengebundenen Kanus zu erreichen. Mit letzter Kraft und fast steif kann er sich
an Bord ziehen und alles retten. Der Verlust hätte den sicheren Tod bedeutet. Drei Tage
darauf attackiert ein Walross eines der Kanus und beschädigt es schwer.
Und einen Tag später die
wundersame Rettung: Nansen und Johansen treffen hier in der menschenfeindlichen Wildnis
auf Frederick Jackson! Der Engländer führt mit seinem Team auf Franz-Joseph-Land
wissenschaftliche Erkundungen durch. Er hat sogar Post für Nansen dabei. Trotz der Freude
über die Rettung beteiligt sich Nansen in den nächsten zwei Monaten intensiv mit an den
Forschungen Jacksons auf der Inselgruppe.
Endlich am 13.
August 1896
betreten Nansen und Johansen nach über drei Jahren wieder norwegischen Boden im Hafen von
Vardø. Von der Fram keine Nachricht. Lebten die anderen
überhaupt noch?
Nur sieben Tage später erreicht
Nansen ein Telegramm: „Fram heute in gutem Zustand angekommen. Otto Sverdrup“.
Norwegen feiert die Heimkehrer! In Tromsø treffen Nansen und Johansen mit Sverdrup und
der Mannschaft der Fram
wieder zusammen. Der Jubel ist groß! Einer der größten Entdeckungsreisen überhaupt ist damit erfolgreich zu Ende
gegangen. Es hat sich kein Drama im Eis entwickelt wie fünfzig Jahre zuvor bei der
Franklin-Expedition. Nansen straft seine Gegner Lügen, die ihm Ignoranz vorgeworfen
haben. Dank der genauen Vorbereitung ist das Risiko für Nansen in einem überschaubaren
Rahmen geblieben. Nansen ist eben Wissenschaftler und kein Abenteurer.
Nach der erfolgreichen
dreijährigen Eisdrift mit der Fram wird Nansen mit Ehrungen und Orden
überhäuft. Die Auswertung der Reise und Vorträge warten jetzt auf ihn. In ihm reift ein
neuer Plan, das Ziel heißt Südpol. Der Gedanke dafür ist während der Drift durch das
Packeis entstanden. Aber es soll alles anders kommen...
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Das Arbeitszimmer von Fridtjof Nansen im Turm von Polhøgda. Als ob er es
gerade verlassen hätte... Hier wertete Nansen seine Forschungen aus und schrieb
seine Bücher. Hüter dieses Raumes ist Erling Hagen vom
Fridtjof-Nansen-Institut.
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Foto: NORDLANDSEITE (2003)
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Um die Jahrhundertwende ist
Fridtjof Nansen intensiv mit der Auswertung seiner Forschungsergebnisse beschäftigt. Die
Resultate sind für die Meeresbiologie und für die physischen Ozeanographie von
fundamentaler Bedeutung. Seine Beobachtungen von den Eisbewegungen können über die
Corioliskraft, die durch die Erdrotation entsteht, erklärt werden.
In all' der Arbeit trifft er zum
ersten Mal mit seinem Landsmann
Roald Amundsen zusammen. Nansen ist begeistert von dem
jungen Mann. Er unterstützt dessen Plan, die Nordwestpassage zu finden. Ihre Wege werden
sich noch öfters kreuzen.
Im Jahre 1905 entstehen
ernsthafte Spannungen in Skandinavien. Norwegen ist an die Union mit Schweden gebunden und
möchte sowohl wie innenpolitisch als auch außenpolitisch ein unabhängiger Staat werden.
Am 7.Juni 1905 wird im Storting eine Resolution zur Auflösung der Union
eingebracht. Darauf rasselt Schweden an der Grenze mit dem Säbel, die Kriegsgefahr
wächst. 4.000 norwegischen Soldaten stehen schwedische Truppen von 60.000 Mann
gegenüber. Im Oktober endlich wird in der Konvention von Karlstad eine
friedliche Lösung gefunden.
Norwegen ist nun ein
unabhängiger Staat. Nansen als glühender Patriot ist für eine konstitutionelle
Monarchie. Diese hält er als notwendig - nicht ohne heftige Kritik - für die
internationalen Beziehungen des jungen, selbstständigen Staates. Einzelne
Stimmen im Land fordern sogar „Nansen soll König werden“. Als privater Repräsentant der
norwegischen Regierung reist er zum dänischen Königshof und findet im Prinzen Karl von
Dänemark den künftigen norwegischen König Håkon VII.
Danach verbringt er zwei Jahre
in London als erster Gesandter Norwegens. Seine Aufgabe ist es, die norwegische
Neutralität zwischen den Großmächten zu wahren. Die politische Etikette behagt ihn aber
ganz und gar nicht, wie er seiner Frau Eva schreibt.
In dieser Zeit
beschäftigt er
sich mit der Historie der Polarforschung und ist so fasziniert von den Mythen und Sagen
der Arktis, dass dabei das Buch Nebelheim (1910/11) entsteht. Doch Ende des
Jahres 1907 stirbt Eva Nansen in dem Familienanwesen auf Polhøgda.
Nansen kümmert sich jetzt
intensiv um seine Kinder und zieht sich aus der Politik zurück. Er betreibt wieder
Meeresforschung und gibt Vorträge. In dieser Zeit sucht Roald Amundsen Nansen auf, um ihn
über seine Pläne einer Nordpolexpedition zu unterrichten. Die Eisdrift soll ihn von der
Beringstraße aus über den Pol führen. Um aber dort hinzukommen,
muss er zuerst den
Südzipfel von Südamerika, das Kap Hoorn, umschiffen, da der Panamakanal gerade erst
gebaut wird. Schweren Herzens überlässt Nansen dem Landsmann die Fram.
Im September 1909 erreicht die
Welt die Nachricht, dass die Amerikaner Peary und Cook unabhängig voneinander den
Nordpol
erreicht haben wollen: Diese Nachricht neun Monate vor der Abreise von Amundsen! Er gerät
unter Druck. Einige Geldgeber springen ab, da der Nordpol nicht mehr für sie interessant
ist. Statt zum Nordpol fährt Amundsen jetzt zum Südpol. Der dramatische Wettlauf mit dem
Briten Robert Falcon Scott zum neunzigsten Grad südlicher Breite ist Geschichte.
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Nansens Heim Polhøgda in Lysaker. Hier lebte und starb der Polarforscher.
Zwischen den Bäumen liegt sein Grab.
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Foto: NORDLANDSEITE, (2003)
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Obwohl sich Amundsen damit den
Lebenstraum von Nansen bemächtigt hat, findet er in Nansen seinen Verteidiger bei der
Anklage, er habe Scott auf dem Gewissen. Nansen nimmt Amundsen in Schutz,
dass keiner auf
dieser Welt ein Monopol auf geographische Ziele habe.
Erholung und die Bestätigung
seiner Fram-Ergebnisse von der Eisdrift 1893-96 sucht und findet er im Jahre
1912 bei seiner dreimonatigen Nordmeerfahrt zur Bäreninsel und nach Spitzbergen.
Nach der Rückkehr aber trifft
Nansen ein weiterer Schicksalsschlag: Asmund, sein jüngster Sohn, stirbt infolge
einer
angeborenen Gehirnerkrankung. Über diesen weiteren schmerzlichen Verlust
hilft ihm eine Einladung nach Sibirien hinweg. Neue Transportwege werden dort gesucht, und
Nansens Erfahrungen über die Schiffbarkeit in der nördlichen Karasee sind gefragt.
Nansen nimmt die Einladung gerne an. Dabei hat endlich wieder die Möglichkeit, sich mit
Naturvölkern wie die der Samojeden und der Juraken zu beschäftigen. Die Reise führt ihn
über den Jenissei bis in das Amurgebiet, den Osten Sibiriens. Diese Reiseerfahrungen
schildert er in Sibirien, ein Zukunftsland (1914).
Der erste Weltkrieg bringt
Hunger in das neutrale Norwegen, das eine pro-britische Haltung bezogen hat im Gegensatz
zu den eher deutsch-freundlichen Dänen und Schweden. Deutsche U-Boote versenken
norwegische Schiffe, der Handel kommt zum Erliegen. Es gibt kaum noch Lebensmittel in
Norwegen. Nansen wird als „bevollmächtigter Minister im besonderen Auftrag“ der
Regierung aktiv, um dringende Nahrungsmittel herbeizuschaffen. Mit zähen Verhandlungen
erreicht er das Amerika-Abkommen, das Norwegen vor der Hungersnot rettet.
Vom Schrecken des ersten
Weltkrieges und auch von einem frühen Zusammentreffen mit der österreichischen
Pazifistin Bertha von Suttner geprägt, engagiert sich Nansen mehr und mehr in Sachen
Frieden. Er wird Vorsitzender des norwegischen Friedenbundes. Norwegen schickt ihn als
Gesandten zum Völkerbund im Jahre 1920 nach Genf. Dort kümmert er sich sofort um den
Austausch von Kriegsgefangenen. Innerhalb von achtzehn Monaten können dank seiner
Bemühungen rund eine halbe Millionen Kriegsgefangenen aus sechsundzwanzig Nationen in
ihre Heimat zurückkehren. Der von ihm geschaffene Nansenpass für staatenlose
Flüchtlinge wird später im Jahre 1946 durch das London Travel Document
und
das Reisedokument der Genfer Flüchtlingskonvention weitergeführt.
Nach der Niederlage
Griechenlands in der kriegerischen Auseinandersetzung mit der Türkei (1920 - 1922) setzt
sich Nansen für die Flüchtlinge in dem ehemaligen Kriegsgebiet ein. Er
lässt
Sammellager errichten und große Gebiete zu Nutzflächen umwandeln. Viele neue Dörfer
entstehen. Eine große Völkerwanderung findet dank Nansen und dem Völkerbund ein
glimpfliches Ende.
Bei der russischen Hungersnot
(1920 - 1922) steht Nansen im internationalen Interessenkonflikt. Schlechte Ernten in
Russland haben die dortige Versorgungslage zusammenbrechen lassen. Dreißig Millionen
Russen sind vom Hunger bedroht. Selbst der Völkerbund verweigert seine Hilfe, da auch
dort die politischen Interessen mittlerweile dominieren. Für Nansen ist es persönlich
seine schwerste Niederlage. Trotzdem kann Nansen private Spender und einen Kredit
Norwegens aufbringen, um in Russland den Hungernden zu helfen. Für diesen Erfolg und für
sein Werk wird Nansen 1922 mit dem Friedensnobelpreis für humanitäre Verdienste
ausgezeichnet.
Die Tragödie eines anderen
Volkes, das der Armenier, beschäftigt danach Fridtjof Nansen. Die Armenier haben unter
zwei großen Völkermorden zu leiden, den letzten im Jahre 1915. Bei
den Massakern der
Türken sollen dabei über einer Millionen Menschen umgebracht worden sein. Die zugesagte
Hilfe der Mittelstaaten bleibt jedoch aus. Ein weiterer Angriff der Türken kann im Jahre
1920 erfolgreich abgewehrt werden. Im gleichen Jahr wird Armenien zur Sowjetrepublik.
Darauf suchen Tausende von armenischen Flüchtlingen aus den türkischen Gebieten dort
Zuflucht.
Schon seit Jahren fordert Nansen
im Völkerbund sofortige Hilfe für Armenien. Doch das Desinteresse des Völkerbundes und
die Enttäuschung nach der Hungerkatastrophe in Russland frustrieren Nansen. Er wirft dem
Völkerbund Scheinzugeständnisse vor, „(...) um das schlechte Gewissen in
Schlummer zu wiegen, falls es überhaupt noch jemand geben sollte, der ein
Gewissen hat.“
Dennoch
lässt ihn der Gedanke
an die Flüchtlinge in Kaukasus nicht ruhen. Im Juni 1925 tritt er mit einer Kommission
die Reise dorthin an. Mit der armenischen Regierung entwirft Nansen mehrere Pläne zur
Neulandgewinnung und kehrt im Juli nach Norwegen zurück.
Bei der sechsten Vollversammlung
des Völkerbundes in Genf bittet Nansen eindringlich um die Bewilligung des Projektes in
Armenien. Doch die Beratungen darüber werden vertagt. Bei der siebten Vollversammlung
stößt er erneut auf Ablehnung bei den Delegierten. Nach drei Jahren schließlich - im
Jahre 1927 - muss Nansen die Ausweglosigkeit seines Vorhabens einsehen. Er beantragt, die
Angelegenheit von der Tagesordnung zu streichen und legt sein Amt als Hochkommissar des
Völkerbundes nieder.
Dennoch soll sein Einsatz für
Armenien nicht umsonst gewesen sein. Kleinere Kredite einzelner Staaten können in
Armenien viele Flüchtlinge helfen. Über die Tragödie des armenisches Volkes und die
Eindrücke seiner Reise schreibt Nansen das Buch Betrogenes Volk (1928).
Daheim auf Polhøgda widmet sich
Nansen seiner Familie - er ist seit 1919 mit seiner zweiten Frau Sigrun verheiratet - und
wieder mit der Polarforschung. Jetzt zieht ihn die Arktisfliegerei in
ihren Bann.
Besonders interessiert ist er an dem Flug des Luftschiffes Norge, den Amundsen
am 9. Mai 1926 über den Nordpol unternommen hat. Nansen gründet die Gesellschaft
Aero-Arktik zur Erforschung des Polarmeeres durch Luftfahrzeuge. Mit Dr. Hugo
Eckener, einem Mitarbeiter des Grafen Zeppelins, plant er eine Arktis-Luftschiffexpedition
für das Frühjahr 1930.
Doch er soll es nicht mehr
erleben. Nachdem im Jahre 1928 ein Herzanfall Nansen in die Knie gezwungen hat, so
versagen erneut seine Kräfte bei einem Skiausflug am Neujahrstag 1930. Zwei Monate
später fesselt eine Venenentzündung den 68jährigen ans Bett.
Doch mit Eifer arbeitet er im
Bett weiter an einer Abhandlung über die Entstehung und Bewegung von Gletschern. Anfang
Mai darf er wieder aufstehen. Am 13. Mai arbeitet er an einer Rede zum norwegischen
Nationalfeiertag am 17. Mai. Seine Schwiegertochter Kari bringt ihm den Tee auf die
Terrasse. „Die große Linde ist noch nicht grün“, sagt er zu ihr, „aber
bald wird sie ausschlagen. Auf diese Art kann ich den Frühling zweimal
erleben...“ Doch mitten im Satz fällt sein Kopf nach vorn. Der Tod hat seinem
Leben und seinem Wirken ein Ende gesetzt.
Der norwegische Nationalfeiertag
wird zum Staatstrauertag. Hunderttausende geben Nansen in Oslo das letzte Geleit. Am Sarg
stehen Olaf Christian Dietrichsen, der Gefährte der Grönlandfahrt, Otto Sverdrup, der
Kapitän der Fram und Bjørn Helland-Hansen, sein Mitarbeiter in der
Meeesforschung. Nansen zählt mit zu den herausragenden Wissenschaftlern unserer Zeit. Er
erkannte den humanistischen Charakter der Wissenschaft und die daraus resultierende
Notwendigkeit, die Kräfte der Wissenschaft mit denen des Friedens zu vereinbaren.
|
Autor:
Th.
Bujack
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Das Fridtjof-Nansen-Institut
(FNI) ist heute auf Polhøgda
beheimatet. Das Haus ist KEIN öffentliches
Museum, folglich hat es auch nicht für den
Publikumsverkehr geöffnet. Da der Weg von der
Bahnstation Lysaker (bei Oslo) nach Polhøgda recht
weit ist, empfiehlt es sich dringend, vorher
mit dem FNI Kontakt aufzunehmen, ob und wann ein
Besuch möglich ist. |
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Link:
Fridtjof-Nansen
Institut |
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Veröffentlichung und Verbreitung nur mit
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Rechte bei der NORDLANDSEITE
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Quellen: |
In
Nacht und Eis, Die Norwegische Polarexpedition 1893 - 1896, Fridtjof Nansen, Neue
revidierte Ausgabe, F. A. Brockhaus, Leipzig, 1898 |
Fridtjof
Nansen, Ein Lebensbild, Eugen von Enzberg, Verlag von Carl Meißner, Dresden und Leipzig,
1898 |
Der
Ruf des Nordens, H. H. Houben, Wegweiser-Verlag G.m.b.H., Berlin, 1927 |
Die
langen Reisen, Walter Bauer, Kindler Verlag, München, 1956, Printed
1958 |
In
der weißen Wüste, Wolfgang Genschorek, VEB F.A. Brockhaus Verlag Leipzig, 1980 |
Im
Schatten. Die Geschichte des Hjalmar Johansen, Ragnar Kvam jr., Berlin
Verlag, 1997 |
nach
oben |
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Norwegen |
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Eine andere der vielen Nansenbüsten in Norwegen, hier am Ende
der Tromsøbrücke auf Tromsøya.
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Die Ur-Fram,
wie sie Colin Archer geplant hat.
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Die Fram im
Zustand, wie sie während der Nansen-Expedition war
|
Otto Sverdrup
veränderte die Fram für seine Expedition in
das kanadische Archipel (1898 - 1902)
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Die Fram
unter Roald Amundsen
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Eines der berühmtesten Schiffe der Welt:
Die
Fram in
Oslo.
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Fotos:
NORDLANDSEITE
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